
Venedig, 1501, Schauplatz eines revolutionären und gleichzeitig retrospektiven Aktes: einige Jahrzehnte nach der Erfindung des Buchdrucks gelingt es Ottaviano Petrucci, ein Verfahren für den Druck mehrstimmiger Musik zu entwickeln, er gibt die erste gedruckte Musiksammlung überhaupt heraus: Harmonice Musices Odhecaton, einhundert Lieder.
Es handelt sich um drei – und vierstimmige Stücke, darunter die beliebtesten Lieder aus ganz Europa, die Hits der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Auch kompositionstechnisch wählte Petrucci wohl dem Zeitgeist entsprechende Musik aus: um 1500 war es schick, auf bekannten Liedern basierend zahlreiche – bis zu 50! – Versionen desselben Stückes zu komponieren oder zu improvisieren. In der edlen Kombination aus Stimme, Blockflöten und Renaissancegambe genießen und präsentieren wir Feinheit, Komplexität und Witz dieses Repertoires und versinken teilweise so tief darin, dass wir eigene Versionen und instrumentale Tänze in das Programm einbauen. Damals wie heute ist höfische? religiöse? blumige? unerfüllte? Liebe ein zentrales menschliches Thema. So ist es auch in den von Hayne van Ghizeghem, Gilles Binchois, Alexander Agricola, Loyset Compere u.a. vertonten Versen nicht anders, und plötzlich scheint uns das 15. Jahrhundert ganz nah.
Shirley Radig – Sopran, Laura Dümpelmann – Blockflöten, Dávid Budai – Renaissancegambe
moderiertes Konzert, 2x 35 min oder 60 min.
Konzeption und Recherche im Vorfeld des Projekts wurden mit Hilfe eines Stipendiums vom Bremer Senator für Kultur ermöglicht.
